Das Kammergericht Berlin hat mit Urteil vom 18.09.2012 (Az.: 7 U 227/11) für einen „bislang unbekannten“ Paukenschlag gesorgt, der im Tagesgeschäft von Planungsbüros, Bauherrn und Baufirmen noch für Beachtung sorgen wird. Die Richter haben klargestellt, dass Verhandlungsprotokolle von Planungsbesprechungen, die eine Abänderung gegenüber ursprünglichen vertraglichen Vereinbarungen dokumentieren, die Wirkung eines kaufmännischen Bestätigungsschreibens entfalten können, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind.
Nach den Ausführungen des Kammergerichts müssen die Empfänger des Besprechungsprotokolls etwaigen Protokollinhalten zeitnah widersprechen, falls sie der Meinung sind, dass die Niederschrift nicht sachgemäß ist. Erfolgt kein Widerspruch gelten die Vereinbarungen aus der Niederschrift der Baubesprechung als verbindliche Abänderung des Vertrags mit den üblichen rechtlichen und finanziellen Folgewirkungen. Auf das Tagesgeschäft kann sich das Urteil sehr tiefgreifend auswirken.
Damit werden die Besprechungsprotokolle eine ungeahnte Bedeutung entfalten. Die Berliner Richter haben ausdrücklich klargestellt, dass die Inhalte der Besprechungsprotokolle die o.e. Wirkung insbesondere in den Fällen ausüben in denen Änderungen gegenüber den ursprünglichen Vertragsvereinbarungen enthalten sind.
Im vorliegenden Fall ging es um Terminvereinbarungen zur Vorlage der vollständigen „Werk- und Montageplanung“ für Natursteinarbeiten die ein ausführender Unternehmer zu erstellen hatte. Der Auftraggeber berief sich auf die Vereinbarung die in der Planungsbesprechung getroffen wurde und setzte den Auftragnehmer in Terminverzug.
Später erfolgte die Kündigung des ausführenden Unternehmers wegen Nichteinhaltung der in der Baubesprechung vereinbarten Termine.
Aufgrund der hohen Bedeutung sind nachstehend Grundregeln für den Umgang mit Besprechungsprotokollen aufgestellt:
– Ein Protokoll über eine Verhandlung ist zwar kein kaufmännisches Bestätigungsschreiben, aber das Protokoll kommt dem so nahe, dass die Grundsätze des kaufmännischen Bestätigungsschreibens zugrunde gelegt werden können,
– Die o. e. Wirkung des kaufmännischen Bestätigungsschreibens kann eintreten, wenn die Teilnehmer der Vertragsparteien an der Besprechung vertretungsberechtigt sind,
– Die so erzielten Besprechungsergebnisse können als Vertragsänderungen angesehen werden,
– Die Wirkung des kaufmännischen Bestätigungsschreibens entfaltet sich nicht, wenn der Verfasser des Protokolls vernünftigerweise nicht mit dem Einverständnis rechnen konnte (Anforderung des redlichen Verhaltens),
– Um zu vermeiden, dass eine konkludente Genehmigung der Inhalte von Besprechungsniederschriften eintrifft, sollte der Widerspruch tatsächlich vorgenommen werden. Dieses Verhalten wird als typisches Gewohnheitsrecht im Handelsgebrauch (und auch im Bauwesen ) bezeichnet, also als übliches Vorgehen
– Besprechungsniederschriften müssen zeitnah versandt werden, um eine Wirkung wie die des kaufmännischen Bestätigungsschreibens zu erzielen.
Um nicht in das Fahrwasser ungünstiger oder überraschender Vertragsänderungen zu geraten wird vorgeschlagen in alle Planungsverträge eine Klausel aufzunehmen wonach nur definitiv benannte Personen als Handlungsbevollmächtigte bzw. vertretungsberechtigte Personen bestimmt werden. Selbstverständlich können diese Personen auch wechseln (z.B. bei Beendigung der Erwerbstätigkeit oder bei Kündigung). Grundsätzlich sollte darauf geachtet werden, dass die Personen bürointern entsprechenden Informationspflichten unterliegen und hinsichtlich ihrer eigenen Verantwortungsbereiche entsprechend geschult sind, um die Tragweite von Besprechungsergebnissen einschätzen zu können.
Planungsbüros sollten intern klären, welche Mitarbeiter vertretungsberechtigt sind und vertragsrelevante Vereinbarungen treffen dürfen. Die vertretungsberechtigten Personen sollten in allen vertragsrelevanten Punkten und der HOAI geschult sein. Alle anderen Mitarbeiter sollten bürointern mindestens mit den grundsätzlichen Regeln bekannt gemacht werden.
Beispiel: Kürzlich wurde im Zuge eines Honorargutachtens festgestellt, dass auf Arbeitsebene eine ganze Anzahl von Planungsänderungen, jeweils in den Jour-fixe-Besprechungen vereinbart wurde. Die vertretungsberechtigten Teilnehmer des Planungsbüros hielten diese Änderungen nach ihrer subjektiven Einschätzung für sog „Planungsfortschreibungen“ für die kein Honorar anfällt. Diese Änderungen waren, wie sich später herausstellte, honorarrelevante Änderungen und keine kostenfreien Planungsfortschreibungen. Das Planungsbüro ging deshalb davon aus, dass Verzögerungen bei der Planung und Bauüberwachung der Grund für die Unterdeckung war. Erst später wurde festgestellt, dass die honorarrelevanten Änderungen der Grund für die Unterdeckungen war.