Ständiges Thema bei der Honorarabrechnung ist die Frage, wann von mehreren Objekten und wann von einem Objekt auszugehen ist. Dazu liegt ein aktuelles Urteil des OLG Köln vom 19.09.2013 (Az.: 24 U 15/10) vor, das der BGH durch Beschluss vom 18.12.2014 (Az.: VII ZR 273/13) rechtskräftig werden ließ. Das Urteil enthält einige wichtige Grundregeln für das Tagesgeschäft wichtig sind. Die Brisanz des Themas lässt sich an folgenden Punkten festmachen:
1. Hohe Honorarunterschiede durch degressive Tafelwertentwicklung (Vorteile bei mehreren Objekten),
2. Mehrere kleine Objekte können unterschiedliche (ggfs. niedrigere) Honorarzonen aufweisen,
Die o. e. Grundregeln führen im Ergebnis zu einer gut systematisierten Beurteilung und einem belastbaren Ergebnis, das auch durchsetzbar ist, deshalb gehen wir besonders ausführlich aus das Urteil ein. Dabei muss immer berücksichtigt werden, dass die HOAI nicht für jedes in der in der Planung befindliche individuelle Objekt eine eindeutige Zuordnungsregelung bereithalten kann. Das würde ja bedeuten, dass die HOAI alle bislang aufgetretenen Entwurfsideen und die in Zukunft noch auftretenden möglichen Entwurfsideen vorsorglich regeln müsste. Deshalb kommt es bei der Frage nach einer Objektgliederung immer auf objektive Kriterien an, die einer Beurteilung zugrunde zu legen sind. Nachfolgende Grundregeln bzw. Arbeitsschritte haben die Kölner Richter vorgegeben und damit für die Praxis Hinweise geliefert.
Allgemeiner Grundsatz: Objektivierungsmethode einzelfallbezogen erarbeiten
Bei der Frage, ob und unter welchen Umständen ein oder mehrere Objekte vorliegen, ist nach Auffassung der Kölner Richter eine schlüssige Beurteilungsmethode mit plausibilisierten anwendbaren Kriterien sinnvoll. Damit ist eine Objektivierung der Fragestellung möglich. Eine Objektivierung wird i.d.R. dadurch erzielt, dass anhand verschiedener sachgerechter Kriterien eine sog. Schwerpunktbeurteilung erfolgt. Dazu müssen aber relevante Kriterien gebildet und bewertet werden. Um zu vermeiden, dass sich an dieser Stelle „Wunschdenken“ je nach dem welcher Vertragspartner betroffen ist, ergibt, haben sich die Richter auch zu den Kriterien klarstellend geäußert.
Nur Leistungsbildbezogene Kriterien sind anzuwenden
Die Kriterien, die der Entscheidung hinsichtlich der Objektgliederung zugrunde gelegt wer-den, müssen sich konkret auf das betreffende Leistungsbild, welches Planungsgegenstand ist, beziehen und dürfen nicht aus einer allgemein gesehenen Argumentation heraus entwickelt werden, die nicht unmittelbar leistungsbildbezogen ist.
Beispiel: Das in der Praxis oft herangezogene Kriterium der gemeinsamen Ver- und Entsorgungsleitungen (Gas, Wasser, Abwasser) um aus mehreren Objekten ein Objekt zu machen, spielt nach dem o. g. Gerichtsurteil bei den Leistungsbildern Gebäude, Ingenieurbauwerke und Verkehrsanlagen keine alleinentscheidende Rolle. Im Leistungsbild der Fachplanung der Technischen Ausrüstung kann dies ein Kriterium darstellen (z.B. bei der Fachplanung Technische Ausrüstung in Gebäude oder Freianlagen).
Auch das oft herangezogene Kriterium dass im Planungsvertrag nur ein einziger Vertragsgegenstand vereinbart wurde und die Bauwerke alle auf einem einzigen Grundstück stehen, ist danach bei den o. g. drei Leistungsbildern nicht relevant.
Anderes Leistungsbild = Anderes Objekt
Aus den Ausführungen oben ergibt sich, dass immer dann, wenn die Leistungen unter-schiedliche Leistungsbilder betreffen, auch ein eigenes Objekt vorliegt.
Beispiel Nr. 1:
– Straße als eigens Objekt Bestandteil der Verkehrsanlagen
– Schallschutzwand an der Straße: eigenes Objekt aus dem Bereich der Ingenieurbauwerke
– Das WC-Gebäude auf dem Parkplatz an der Autobahn ist ein eigenes Objekt aus dem Leistungsbild Gebäude.
–
Beispiel Nr. 2:
– Betriebsbauwerk der Kläranlage als Objekt aus dem Leistungsbild Ingenieurbauwerke,
– Personalgebäude der Kläranlage als Objekt aus dem Leistungsbild Gebäude
Konstruktive/räumliche Trennung als wesentliches Kriterium
Das OLG hat als weiteren Punkt klargestellt, dass die Entscheidung über die Anzahl der Objekte in einem 1. Schritt anhand der konstruktiven Eigenständigkeit beurteilt werden kann. Im Klartext bedeutet das:
– Liegt zwischen den in Rede stehenden Objekten ein Zwischenraum, dann liegen bereits eigenständige Objekte vor
Diese Vorgabe der Richter betrifft in erster Linie die Objektplanung der Leistungsbilder Gebäude, Ingenieurbauwerke und Verkehrsanlagen.
Die Richter stellten außerdem klar, dass das Kriterium der räumlichen Trennung inzwischen zur gefestigten Rechtsprechung gehört und damit generell als erster Schritt zu prüfen ist.
Unter räumlicher Trennung wird auch die schmale Trennung zwischen 2 Reihenhäusern (Trennfuge und Doppelschaliges Mauerwerk als Grenze zwischen den Objekten) verstanden. Liegt eine räumliche Trennung vor, ist es nicht erforderlich, nach weiteren Kriterien zu suchen, da es sich hier um ein alleinentscheidendes Kriterium handelt.
Funktionale Selbstständigkeit
Als weiteres Kriterium wird die funktionale Selbstständigkeit genannt. Dieses Kriterium ist einerseits grundsätzlich auch Bestandteil der gefestigten Rechtsprechung, andererseits auf fachlicher Arbeitsebene jedoch durchaus umstritten, weil es hier sehr weitreichende Auslegungsmöglichkeiten gibt.
Um diese Auslegungsmöglichkeiten zu objektivieren, ist es erforderlich, eine systematische Kriterienstruktur speziell für die funktionale Selbstständigkeit aufzubauen. Die Kölner Richter haben sich mit dieser Frage intensiv befasst und sind zu dem Ergebnis gekommen, dass hier systematisierte Konkretisierungen weiter helfen. Systematisiertes Vorgehen bedeutet in der Praxis z.B.
– Grundlegende Definition der funktionalen Selbstständigkeit anhand der jeweiligen einzelfallbezogenen Objektbedingungen (z.B. bei Schulen, Sportzentren, Kliniken, Industriebauten …), Beispiele: Produktion und Verwaltung eines Betriebes, Betriebsgebäude und Personalgebäude einer Kläranlage, Brücke und Gleisanlage auf einer Eisenbahnbrücke, Gleisanlage und Bahnsteiganlagen eines Bahnhofs, Tunnelstrecke und Bahnhofsbereich einer U-Bahn.
– Beurteilung anhand von funktionalen Selbstständigkeitsmerkmalen die sich auf das konkrete Leistungsbild beziehen, Beispiele: Möglichkeit jedes Bauwerk eigenständig zu betreiben, ohne wesentliche funktionale Einschränkungen hinzunehmen, Brücke kann einer Gleisanlage „dienen“ oder auch einer Straße
– Differenzierung zwischen konkreter objektbezogener Funktionalität und einer übergeordneten Gesamtfunktion. Beispiele: Eine übergeordnete Gesamtfunktion (Campuslösung einer Klinik die aus mehreren Gebäuden besteht) wird nicht allein deshalb zu einem einzigen Objekt, weil die Objekte einem einheitlichen übergeordnetem Zweck, nämlich der Heilung, dienen. Die übergeordnete Gesamtfunktion der Verkehrsführung (Brücke und Gleisanlage auf der Brücke) führt nicht dazu, dass aus 2 Objekten ein Objekt wird.
Das Beispiel der Brücke mit der Gleisanlage taucht in mehreren Kriterien (1. Leistungsbild, 2.Selbstständigkeitsmerkmale, 3.übergeordnete Gesamtfunktion) auf und zeigt damit die Eindeutigkeit der preisrechtlichen Kriterien mit dem Ergebnis einer Trennung in verschiedene Objekte auf, obschon nach allgemeiner Anschauung auf den ersten Blick ein enger Zusammenhang zwischen Brücke und darauf angeordneter Gleisanlage vermutet werden darf.
Anhand der vorgenannten Beispiele zeigt sich der Unterschied zwischen der systematischen preisrechtlichen Beurteilung und der allgemeinen Anschauung. Genau dieser Unterschied ist ganz entscheidend. Es muss darauf geachtet werden, dass die Kriterien rein preisrechtlich ausgerichtet sind. Dieses Verständnis muss ggfs. überzeugend argumentiert werden.
Die Richter des Landgerichts Köln haben außerdem klargestellt, dass keine Überziehung von Anforderungen, die bei den einzelnen Kriterien zu berücksichtigen sind, erfolgen darf. Das kann man auch so formulieren: Man darf bei der Kriterienbildung und bei der Bearbeitung der Beurteilungen nicht subjektive Vorstellungen in die Kriterien sozusagen als eigene Wünsche „hineinlesen.“ Es zählt nur die objektiv preisrechtlich ausgerichtete Kriterienbildung und Beurteilung.
Beispiel: 3 Gebäude auf einer gemeinsamen Tiefgarage bilden nicht bereits deshalb ein einheitliches Gebäude, weil alles einer übergeordneten Wohnnutzung dient und ein einheitlicher Planungsvertrag mit einem Vertragsobjekt im Vertragsgegenstand steht.